Zeitzeugenprojekt

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Zeitzeugenprojekt 2011

„Nie wieder Faschismus und Krieg! - Die Toten mahnen uns zum Frieden!“


Am 13.9.2011 besuchten 3 Zeitzeugen die Klassen 9a, b und c. In unserer Klasse berichtete Herr Ignacy Krasnokucki, ein Pole jüdischer Herkunft, von seinen erschütternden und sehr ergreifenden Erlebnissen aus dem 2. Weltkrieg. Große Stille herrschte in unserer Klasse, als er uns erzählte, dass die jüdischen Geschäfte geschlossen wurden und somit sich alle Juden keine Lebensmittel mehr kaufen konnten oder aber auch, als wir hörten, dass sie schon als Jugendliche hart in den Ghettos arbeiten mussten.
Ist es doch für uns heute schon fast nicht mehr vorstellbar, wie die Menschen damals gehungert haben und ihre Gedanken sich nur darum drehten, etwas zu essen zu bekommen. Ganz schrecklich war zu hören, dass Herr Krasnokuckis Mutti in seinen Händen gestorben ist und er deswegen beinahe Selbstmord begangen hätte. Nur weil seine Freunde aus dem Ghetto ihn davon abhielten, lebt er heute noch und kann uns von dieser schrecklichen Zeit berichten.
So etwas persönlich von einem Zeitzeugen berichtet zu bekommen, war Gänsehaut erregend, erschütternd und sehr berührend und viel anders, als „nur“ in Büchern zu lesen und zugleich auch mahnend, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Vielen Dank, dass Sie sich dafür Zeit genommen haben!


Janine Wagner und Christin Tänzer Klasse 9b

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Zeitzeuge Peter Böttrich 11./12.1.2012 - „Wider das Vergessen“

Geschichte einmal anders erlebten unsere zehnten Klassen durch den Besuch von Peter Böttrich aus Marienberg. Es war totenstill, als er von der schweren Zeit 1944/1945 berichtete. Die letzte Nachricht seines Vaters, der Feldwebel in der Wehrmacht war, berichtete von einer schweren Verwundung. Irgendwo im Raum der Weichsel gilt er seit 1944 als vermisst – ein Schicksal, das viele tausende deutsche Familien traf. Seine Mutter wurde dadurch zur „Kriegerwitwe“. Die Schüler hörten davon, dass die Deutschen 1944 noch Ungarn besetzten und dass dadurch das Schicksal der ungarischen Juden besiegelt war. Zirka 500000 von ihnen wurden noch in die Vernichtungslager verfrachtet. Hier entschied die Selektion über Leben und Tod. Wer noch arbeiten konnte, blieb vorerst am Leben, der Rest wurde ins Gas geschickt. Etliche sind noch nach Buchenwald gelangt und die SS hat die Häftlinge an Rüstungsbetriebe ausgeliehen. Dadurch ist viel Geld verdient worden. Die Häftlinge mussten 4.00 Uhr aufstehen, zum Frühstück gab es Wassersuppe und wenig Brot. Von 6.00 Uhr bis 19.00 Uhr ging es dann zu schwerer körperlicher Arbeit. Nach dem Zählappell war dann endlich 22.00 Uhr Nachtruhe. In 4-Etagen-Betten musste geschlafen werden. Das ist ein unvorstellbarer Alltag gewesen, den die Nazis als „Vernichtung durch Arbeit“ bezeichneten. Aber die Alliierten schnürten das Reich immer weiter ab und es stand unmittelbar die Befreiung bevor. Nun wurden die Leute auf Transport geschickt in offenen Waggons der Bahn, 70 Mann in einen, eingesperrt auf engstem Raum.
Es gab weder zu essen noch zu trinken. Vorrichtungen für die Notdurft waren nicht vorgesehen und man konnte nicht umfallen.
Böttrich schilderte anschaulich, wie man nach tagelanger Fahrt vor Hunger gebrüllt hat. Ziel der Fahrt, das Gebiet des ehemaligen Protektorats. Unterwegs griffen Jagdbomber an, die SS-Leute gingen in Deckung. Tote wurden ausgeladen und wie Müll weggeschmissen.
Grab- und Mahnmale sind heute noch Zeuge dieser unglaublichen Verbrechen. Wer floh, wurde wie bei einer Treibjagd, bei der sich Partei, SS, HJ, Volkssturm und Wehrmachtssoldaten beteiligten, gehetzt und erschossen. Gesten des Mitleids hat es gegeben, waren aber die Ausnahme. Böttrichs Mutter hat so mit Brot geholfen, aber es musste altbackenes Brot sein, denn die Mägen der Häftlinge vertrugen kaum noch etwas. Ein Oberscharführer betrat das Haus und fragte sie, was das solle. Dann forderte er sie auf, das Fenster zu schließen, von wo aus der kleine Peter alles verteilte und er würde nichts gesehen haben. Man muss wissen, dass die SS auch solcher Deutsche erschoss.......
Meine Schüler erfuhren auch, was „Muselmänner“ sind, nämlich Menschen, die total ausgemergelt sind und in denen jede Hoffnung erloschen ist. Aber die lebten tatsächlich noch. Viele sind so, kurz vor der deutschen Kapitulation am 8.5.1945, noch umgekommen. Wer durchgekommen ist, so Böttrich, trug physische und psychische Schäden für den Rest seines Lebens davon.
Er, ein Lehrer für Deutsch und Musik noch an der alten Schule, ist der Auffassung, dass nicht vergessen werden darf, damit sich so etwas nie wiederholt. Und, so sagte er zum Schluss, dass jeder entsprechend was aus seinem Leben machen muss und dass wir uns freuen können, in der heutigen Zeit zu leben.
Ich glaube, dass unsere Schüler Böttrichs Darstellung eigenen Erlebens sehr beeindruckt hat. Im Namen meiner Schüler will ich dem Zeitzeugen einen herzlichen Dank aussprechen und wir wollen und werden nicht vergessen!!!

Fachlehrer für Geschichte
Thomas Keilhack

5.6.2012 Herr Sonder aus Chemnitz

Heute, am Vorabend des Jahrestages der alliierten Landung in der Normandie am 6.6.1944, besuchte erneut ein Zeitzeuge unsere Schule. Herr Sonder aus Chemnitz ist 86 Jahre alt und er hat Auschwitz überlebt, 22 seiner Familienangehörigen hingegen nicht. Im Pavillon der Schule war es unter der Schülern der vier achten Klassen totenstill, als er begann, von damals zu erzählen. Zum Zeitpunkt der Machtergreifung durch Hitler war sein Vater in der SPD. Sofort begann man, sich an den Juden und an allen potenziellen Gegnern zu vergreifen. Sie kamen in die KZ und wurden krankenhausreif geschlagen, wie er sagte, in Chemnitz regierte so ein Nazibürgermeister, alle Juden wurden aus ihren Berufen entlassen und wirtschaftlich eliminiert. Und es gab so gut wie keinen Widerstand dagegen, da die Leute große Angst hatten. Ich dachte spontan an den Vergleich zu heute....Die Rassengesetze griffen und wer sich mit den Juden einließ, betrieb „Rassenschande“.
Erst zur Olympiade 1936 lockerte sich alles etwas, wollte sich doch das Naziregime weltoffen zeigen. Jüdische Sportler waren am Start und holten Medaillen, so z.B. die Fechterin Helene Mayer, die auf den zweiten Platz kam, aber zur Siegerehrung war sie gezwungen, vom Podest aus den Hitlergruß zu machen. Schließlich kam es am 9.11.1938 auch in Chemnitz zur Reichskristallnacht, jüdischen Warenhäusern und Geschäften wurden die Scheiben zerschlagen, die Ware geplündert.
Auch die Synagoge brannte, in ganz Deutschland waren es 281 Gotteshäuser. Die Polizei sagte wörtlich: „Wir können nicht helfen!“ Viele Juden wurden verhaftet und kamen in die KZ. In Chemnitz begann, wie im ganzen Reich, die Ghettoisierung, die Juden mussten in so genannte „Judenhäuser“ ziehen und waren verpflichtet, den Judenstern zu tragen. Wer dagegen verstieß, war des Todes. Ca. 15 Judenhäuser muss es in Chemnitz gegeben haben, das persönliche Hab und Gut aus den ursprünglichen Wohnungen wurde versteigert und viele Deutsche haben sich durch eine Ersteigerung schuldig gemacht am Elend dieser Leute. Jedenfalls kamen Sonders Eltern auf den Transport, er blieb in der Stadt und wurde, nach der Wannseekonferenz am 20.1.1942, wo man die „Endlösung der Judenfrage“ beschloss, am 27.2.1943 verhaftet. Das Kürzel Gestapo klingt auch heute noch furchterregend. In Auschwitz tätowierte man ihm die Nummer 105027 ein, d.h. er durfte leben, war aber in Auschwitz-Monowitz zur „Vernichtung durch Arbeit“ bestimmt, die SS vermietete so Häflinge für wenig Geld an Rüstungsfabrikanten. Wer sofort ausselektiert wurde,
kam auf den LKW und dann ins Gas. Sonder sagte, dass die Lebenserwartung dieser Menschen ab der Ankunft bei 120-180 Minuten lag, dann wurde mit Zyklon B vergast. Es ist wie ein Wunder gewesen, dass er 16 Selektionen überlebte, denn in regelmäßigen Abständen wurde unter den Arbeitsfähigen ausselektiert. Wer krank war oder aussah wie ein Muselmann, kam in die Gaskammer. Trotz einer Knieverletzung, bei der ein Arzt half, überlebte er und war von der Selektionsliste gestrichen. Die Selektionen begannen 5.00 Uhr und konnten zwischen 30 Minuten und 4 Stunden dauern. Er berichtete auch von Galgen, an denen die SS Menschen hinrichtete und Sonder sagte, besonders schlimm sei die Hinrichtung eines Jugendlichen gewesen, dessen letztes Wort „Mama“ war. Als die Russen Anfang 1945 immer näher rückten, kam am 18.1. der Befehl zur Evakuierung des Lagers, die Überlebenden mussten auf den Todesmarsch. Bei eisiger Kälte muss das eine Tortour ohnegleichen gewesen sein. Dann karrte man die Häftlinge in offenen Loren bis nach Sachsenhausen, von wo aus es auf den nächsten Todesmarsch nach Flossenbürg ging. Bei einer Schießerei der SS mit den Amerikanern, gelang es, sich am 23.4.1945 selbst zu befreien. Leider hatten wir nur 90 Minuten mit Sonder, vieles ist sicherlich nur angerissen worden, aber wir alle waren von dieser Lebensgeschichte beeindruckt. Sonder fragte auch, ob die Menschheit was daraus gelernt habe, angesichts von Atomwaffen und zig Kriegen seit 1945..........Man wird schon nachdenklich, wenn man zu einer entsprechenden Antwort gelangt. Ich glaube aber, dass bei unseren jungen Menschen dieser Bericht in Herz und Hirn gelangt ist, auch sie tragen immerhin, wie wir alle, die historische Verantwortung, alles zu tun, damit sich dieser Irrsinn niemals wiederholen kann!! Danke, Herr Sonder, bleiben Sie recht lange gesund, damit sie noch vielen Menschen von damals erzählen können. Alles Gute Ihnen und Ihrer Familie!

Thomas Keilhack Fachlehrer Geschichte

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