Schulverein

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10 Jahre Evangelische Mittelschule Großrückerswalde

Als wir nach der Schulgründung zum ersten Mal an einem Treffen freier Schulen in Potsdam teilnahmen, wurden wir gebeten,
vom Wunder von Großrückerswalde zu berichten. Die Gründungsphase war wirklich alles andere als einfach.
Es gab große Unterstützung. Genauso groß war aber auch der Widerstand. Viele, die sich für unsere Initiative interessierten,
konnten sich einen Erfolg am Ende schon gar nicht mehr vorstellen. Als ich dieses Grußwort schreibe,
wird mir dieses Wunder erneut bewusst. Ausgelöst durch die Bestätigung des Schulstandortes in der Schulnetzplanung und
die Zurücknahme der Genehmigung kurze Zeit später,
kämpfte man ab 1992 in Großrückerswalde um den Erhalt der staatlichen Mittelschule.
Unterschriftensammlung und Schulstreik konnten aber in der Folge den Schulstandort nicht retten.
Diese Tatsache löste eine unerwartete Solidarität aus. Verbindungen, u. a. die von Kirche, Kommune und Schule,
wie sie Jahrhunderte das dörfliche Leben geprägt hatten und während Nazizeit und Sozialismus bewusst gestört wurden,
funktionierten wieder.
Motiviert durch den leidenschaftlichen Einsatz von Bürgermeister Jörg Stephan für die Schule setzten sich nun Eltern,
Schüler, Lehrer, Kommune und Kirchgemeinde gemeinsam für den Schulstandort Großrückerswalde ein.
Auf Empfehlung aus dem Kultusministerium entwickelte sich dann daraus die Initiative zur
Gründung einer Schule in freier Trägerschaft. Als unmittelbar Beteiligter hatte man allerdings das Gefühl,
dass diese Empfehlung auf der Hoffnung beruhte, dass die Voraussetzungen für die Gründung einer freien Schule
in Großrückerswalde nicht geschaffen werden konnten. Mehrmals standen Probleme vor uns,
für die es scheinbar keine Lösung mehr gab. Abgesehen davon, dass als Voraussetzung für die Genehmigung,
Lehrer Dienstverträge für eine nicht genehmigte Schule unterschreiben mussten, wurde uns auch die staatlichen Zuschüsse,
die bis dahin allen freien Träger von Anfang an zur Finanzierung erhalten hatten, nicht gewährt.
Lehrer, die dann trotzdem bei uns arbeiten wollten, bekamen neue und sichere Arbeitsstellen angeboten.
Für die Genehmigung der Schule war auch der Nachweis ausreichender Schülerzahlen zu erbringen.
Elke Urban, die sich gleich nach der Wende besonders um die freien Schulen in den neuen Bundesländern verdient gemacht hat und
maßgeblich an der Gründung des Evangelischen Schulzentrums in Leipzig beteiligt war,
konnte mit überzeugenden Argumenten während einer Informationsveranstaltung in der Wehrkirche die Bedenken der Eltern zerstreuen,
die ihre Kinder lieber nicht an einer noch nicht genehmigten Schule anmelden wollten oder sich noch nicht vorstellen konnten,
dass Kirche und Schule zusammen gehen konnten.
Dank intensiver Unterstützung durch die Evangelische Schulstiftung in Bayern – namentlich durch Dr. Jürgen Bohne –
erschien aber allen Beteiligten die Gründung einer Schule in freier Trägerschaft als ein erstrebenswertes Ziel.
Allerdings wurde auch schnell deutlich, dass es nicht in erster Linie um den Erhalt des Schulstandortes gehen konnte,
sondern um ein gutes Konzept, das junge Menschen auf das Leben vorbereitet. Die intensive Arbeit am Schulkonzept und
damit verbunden das Wissen um die Tatsache, dass man Schule noch ganz anders gestalten konnte, als wir das kannten und
uns zunächst vorstellen konnten, waren am Ende die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass Eltern, Schüler, Lehrer,
Kirchgemeinde und Gemeinderat trotz aller mit der Gründung verbundenen und
vermutlich gewollten Unsicherheiten an den Erfolg glaubten.
Dazu kamen viele ermutigende Zeichen der Verbundenheit: Menschen, die für das Vorhaben beteten; die Tatsache,
dass nur ganz wenige Schüler sich für eine andere Schule entschieden und das auch,
als nach Aufnahme des Schulbetriebes Schulfremdenprüfungen, die dazu dienen sollten,
die Eignung des Trägers zum Führen einer Schule zu überprüfen, anfänglich eindeutig zur Abschreckung
für die betroffenen Schüler inszeniert wurden; die LehrerInnen, die sich am Ende doch für unsere Schule entschieden und
mit überdurchschnittlichem Einsatz das verwirklichten, was wir konzeptionell versprochen hatten;
und zum Beispiel auch die Zuverlässigkeit mit der sich der Gemeinderat immer wieder einstimmig für die Schule positionierte;
oder auch die Zusammenarbeit mit der Landeskirche, die zwar um die Zeit nicht auf Schulgründungen eingestellt war,
aber mit Oberlandeskirchenrat Adolph wenigstens einen Ansprechpartner stellte,
der unser Anliegen an vielen Stellen vertreten hat. Natürlich gab es auch Rückschläge.
Aber die haben vielleicht vor Höhenflügen und damit auch vor Abstürzen bewahrt.
Damals in Potsdam, und später immer wieder, haben wir versprochen, das alles aufzuschreiben. Geschafft haben wir es nie.
Auch jetzt gäbe es noch vieles, was in diesem Zusammenhang genannt werden müsste. Aber hier ist nicht der nötige Platz dafür.
In jedem Fall kann das Gesagte bewusst machen, dass es nicht selbstverständlich ist,
dass es die Evangelische Mittelschule in Großrückerswalde gibt. Und dankbar können wir auch dafür sein,
dass wir in einer Gesellschaft leben, die solche Aktivitäten überhaupt ermöglicht.
Aus dem Gemeinderat kam der Vorschlag, der Schule den Namen „Erhard und Rudolf Mauersberger“ zu geben.
Als Söhne des damaligen Kantors, Oswald Mauersberger, in Mauersberg geboren,
war für sie die Verbundenheit mit der Heimat immer ein Zeichen für das Wissen um die Wurzeln. Bescheiden und
fleißig haben sie die Menschen im Dorf erlebt. Geprägt von einer tiefen Frömmigkeit, die das Leben bestimmte.
Die Kirche war der Mittelpunkt des Dorfes, geographisch und auch im übertragenen Sinn.
In der dörflichen Gemeinschaft wurde auch gefeiert. Und es ging menschlich zu, in der mehrfachen Bedeutung des Wortes.
Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, gab es ein funktionierendes Miteinander. Sie sagen später,
dass sie die Kinderzeit in Mauersberg nicht missen möchten. Aber sie haben auch über den Kirchturm hinaus geschaut.
Dass Beide im Laufe ihres Lebens weit über das Dorf bekannt wurden und gewirkt haben, ist der Beweis dafür,
dass das Dorf einen guten Boden bietet. Vielleicht liegt die Bedeutung der Brüder ja darin, dass sie es geschafft haben,
als Kirchenmusiker in nicht gerade einfachen Zeiten, ihre Zeitgenossen anzusprechen. Zweifellos hat das,
was sie im Dorf geprägt hat, ihr Wirken maßgeblich beeinflusst und sie als Künstler und Christen glaubwürdig gemacht.
Zur Namensgebung der Schule sang der Thomanerchor unter Leitung von Thomaskantor Georg Christoph Biller im Schulgottesdienst.
Mit großer Selbstverständlichkeit ermöglichten die Thomaner auch noch ein Konzert in Mauersberg,
in dem u.a. Motetten von Johann Sebastian Bach auf dem Programm standen. Man konnte das Gefühl haben,
dass lange nach der Ära Mauersberger dem Dorf etwas zurückgegeben wurde.
10 Jahre Evangelische Mittelschule in Großrückerswalde sind Grund, Gott und vielen Menschen dankbar zu sein.
Und gleichzeitig ist dieses Jubiläum auch Aufforderung und Ermutigung,
sich weiter für die Belange der Evangelischen Mittelschule und das Dorf einzusetzen.


Worte zum 10-jährigen Schuljubiläum 2006 aus der Festschrift der Schule

Johannes Stuhlemmer
Vereinsvorsitzender 2011